Rettet die Muddaschpròòch!

Am 21. Februar wurde weltweit der „UNESCO Tag der Muttersprache“ gefeiert. An diesem Tag wird an die vom Aussterben bedrohten Sprachen erinnert. Die beiden saarländischen Mundarten Rhein- und Moselfränkisch stehen ebenfalls auf der „Roten Liste“ der UNESCO.

Der Saarländische Rundfunk unterstützt den „Tag der Muttersprache“ seit etlichen Jahren auf SR 3 Saarlandwelle mit einem besonderen „Mundarttag“, der diesmal unter dem Motto „Rettet die Muddaschpròòch!“ stand, und an dem Zuhörer ihre Lieblingsmundartwörter vorstellen konnten und auch namhafte Mundartautoren und Mundartmusiker zu Wort und zum Vortrag ihrer Mundartlieder kamen.

Abschlussveranstaltung in der Brasserie „Le Terminus“ in Saargemünd

Höhepunkt des „Mundarttags“ auf SR 3 Saarlandwelle ist traditionell die Abschlussveranstaltung, die diesmal – wie schon im vergangenen Jahr – in der Kulturkneipe „Le Terminus“ in Saargemünd stattfand und vom Saarländischen Rundfunk live aufgezeichnet wurde. (Ausschnitte aus dieser Aufzeichnung waren am 22. Februar in der Sendung „Saarthema“ mit dem Titel „O leck – die Zukunft der Muddersprooch“ zu sehen und können unter folgendem Link abgerufen werden:

https://www.ardmediathek.de/video/saarthema/oh-leck-die-zukunft-der-muddersprooch/sr/Y3JpZDovL3NyLW9ubGluZS5kZS9TVEhfMTM3MzIz

Die Mundart-Soirée wurde wieder von Susanne Wachs moderiert, die sich um die Verbreitung und den Erhalt der saarländischen Mundarten große Verdienste erworben hat. Sie organisiert u.a. auch das „Mundartsymposium Bosener Mühle“, ist für die Sendung „Bei uns dehemm“ verantwortlich und betreut die wöchentliche Mundartrubrik in den „Bunten Funkminuten“ auf SR 3.

2018 wurde sie mit dem „Ehrenpreis Mundart“ des Vereins für Landeskunde im Saarland e.V. (VLS) und des Mundartring Saar ausgezeichnet.

Susanne Wachs, hier im Gespräch mit den Mundarttheaterleuten Alphonse Walter aus dem Bitcher Land (links) und Dieter Meier aus Homburg, führte mit Witz und Charme durch den Mundartabend.

Nach der Begrüßung durch Susanne Wachs heizte Michel Wack, der den Abend musikalisch begleitete, mit dem Mundartsong „Wo fangt de Himmel aan“ den rund 50 Gästen in der Brasserie gehörig ein.

Es folgten mitreißende Darbietungen saarländischer, lothringischer und pfälzischer Mundartkünstler. Bemerkenswert war der Auftritt der Marpinger Künstlerin Clara Brill, die bereits zwei Mal als Siegerin aus den saarländischen „Poetry Slam“ Wettbewerben hervorging, und damit eine der großen Hoffnungen saarländischer Lyrik ist. „Poetry Slam“ ist eine relativ junge Kunstform, bei der, unter Verzicht auf Requisiten und Bühnenschnickschnack, selbstgeschriebene Texte in rhythmischer Sprache live vorgetragen werden. „Poetry Slam“ wird gewöhnlich in Hochdeutsch vorgetragen. Clara Brill zeigte in Saargemünd überzeugend, dass es auch auf Mundart funktioniert.

Michel Wack, Frontmann der Band „Blues Himmel“, heizte dem Publikum mit seinen Mundartsongs gehörig ein.

Poetry Slammerin Clara Brill überzeugte bei ihrem Mundart Debüt

Laurent Barthels Mundart Präsentation des Karl Valentin Sketches vom Feuerwehrmann strapazierte die Lachmuskeln

Zum Schreien komisch war die Mundartinterpretation des Karl Valentin Sketches vom „Feuerwehrmann“ durch den Lothringer Kabarettisten Laurent Barthel.

Die witzigen und unterhaltsamen Wortbeiträge und die beschwingte, zum Mitsingen einladende Musikbegleitung vermittelten den Eindruck einer pulsierenden und quicklebendigen Mundart. Dieser Eindruck ist leider trügerisch, denn bei aller Freude über einen mitreißenden Abend darf nicht vergessen werden, dass die Mundart eine bedrohte Art ist, und zwar „hie wie dòò“. Denn auf beiden Seiten der Grenze befinden sich die Mundarten im Niedergang.

Susanne Wachs befragt Hervé Atamaniuk (links) und Patrik H. Feltes
(Bildmitte) zur Zukunft der bedrohten Mundarten

Dieser traurige Aspekt wurde auch bei der Soirée im Terminus angesprochen. So äußerten sich der Direktor für Kulturangelegenheiten von Saargemünd, Hervé Atamaniuk, Musikliebhabern auch als Kopf der Band „Schaukelpferd“ bekannt, und der bekannte saarländische Mundartautor Patrik H. Feltes, einer der Initiatoren der Aktion „Muddaschpròòch“ zum UNESCO-Welttag der Muttersprache, kritisch und weitgehend skeptisch über die Zukunft der regionalen Mundarten.

Simon Matzerath vom HMS erklärt das „DNA-Projekt“
zur Speicherung von Mundartaufnahmen

Was bleibt also zu tun?

Zumindest sollte man alles daransetzen, die Mundarten, solange sie noch gesprochen werden, aufzuzeichnen. Dies tut z.B. der Verein für Landeskunde im Saarland e.V. (VLS), der bestrebt ist, zu möglichst allen der über 300 innerhalb des Projekts „Das Saarland in Platt“ auf der „Kaat von dehämm“ verzeichneten saarländischen Ortschaften Mundartaufnahmen zu machen.

Dazu hat der VLS in seiner St. Wendeler Geschäftsstelle eigens ein kleines Tonstudio eingerichtet, in dem Mundartsprecher aus dem ganzen Saarland Texte über ihre jeweiligen Heimatorte einlesen können. Bis jetzt wurden ca. 70 Städte und Gemeinden mit ihren Mundarten erfasst. Außerdem besteht auch die Möglichkeit, mittels einer mobilen Aufnahmebox zu „Hausbesuchen“ auszurücken.

Die „Kaat von dehämm“ (eigentlich werden es am Ende 6 Karten sein, nämlich für jeden Landkreis eine) wird von dem Beruser Künstler Bernd Kissel grafisch ausgestaltet. Die Karten der Landkreise Neunkirchen, Saarlouis sowie des Regionalverbandes Saarbrücken liegen bereits vor. Anfang April wird die „Kaat von dehämm“ für den Landkreis Merzig-Wadern vorgestellt.

Eine andere, eher nach Science-Fiction klingende Möglichkeit, Mundarten zu konservieren, verfolgt der Leiter des Historischen Museum Saar (HMS), Simon Matzerath: Wie er Susanne Wachs erklärte, arbeitet das Museum seit einem Jahr an einem Projekt zur Abspeicherung der saarländischen Dialekte in DNA-Molekülen.

Und dann noch ein weiterer Hoffnungsschimmer aus Saargemünd, wo die junge Maud Talma, die selbst keine Mundart mehr spricht, sich dafür einsetzt, die Sprache der Großeltern zu bewahren, indem sie beispielsweise alte in Mundart geschriebene Kochrezepte sammelt.

Hervé Atamaniuk unterstützt Maud Talma (rechts) beim
Aufspüren alter Mundartdokumente

Am „Tag der Muddaspròòch“ gab es auch Gästeführungen in
Mundart mit Monika Gottschall (links) in Saarbrücken und
Arlette Kremer (rechts) in Saargemünd.

Die anwesenden Mitglieder der VLS-Arbeitsgruppe „Mundart“ saßen im „Terminus“ in der ersten Reihe:
(2. von links Hilde Hartmann, dann Christel Rosar, Günter Groß und Manfred Kissel, leider verdeckt)
und erlebten einen unvergesslichen Abend. (Foto: Screenshot)

Bericht und Fotos:
Günter Groß, Leiter der „Arbeitsgruppe Mundart“ beim VLS